DIE PERFEKTE WOLKE von MARIO VIDOR
Lanfranco Colombo
Mario, Vorname eines Herrn, Verzeihung EINES HERRN, Zuname Vidor. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und habe ihn immer als gut aussehenden Mann mit einer achtbaren Familie geschätzt. Von Anfang an konnte Mario gute Aufnahmen machen, die dann immer besser wurden und von hübschen Postkarten zu dicht beeindruckenden Bildern reiften. Mit einer hervorragenden Bilderfolge, DIE PERFEKTE WOLKE, lässt er den Leser heute an einer wertvollen, neugierigen und intelligenten Suche teilnehmen.
Wenn mir meine Leser ein Abschweifen zu ein paar persönlichen Details gestatten, will ich erzählen, dass ich vor etlichen Jahren in Portofino eine viel bessere Fotografin geheiratet habe, als ich einer bin. Sie hieß Giuliana Traverso, heute Giuliana Traverso verh. Colombo: Lehrerin von X Adeptinnen. Als ich unsere geschätzte Mitarbeiterin Orietta Bay fragte, welche Zahl ich anstelle des X nennen könnte, war die Antwort „mehr als 2000“, weil sie in 43 Jahren von „Donna Fotografa“ mehr als 2000 Frauen unterrichtet hat. Ich armer Wicht in diesem intelligenten Harem bin oftmals verzweifelt. Ich erzähle es, weil ich berichten will, was Giuliana vielen ihrer früheren Schülerinnen anvertraut hat, nämlich dass sie in Nizza zweimal an grauem Star operiert wurde und sie, die Wolken immer schwarz / weiß fotografiert hatte, um sie dann in verschiedenen Farbnuancen zu tonen, nach der zweiten Operation erstmalig die Schatten sehen konnte, die die Wolken auf das Meer werfen.
Danke, Mario, für deine Vielzahl von Wolken, die mir beim Ansehen deiner Fotos, emotional wie ich bin, das Wasser in meine Augen, die vor fast 86 Jahren das Licht erblickten, getrieben haben.
Du hast den Himmel in Florenz, Venedig, Sizilien, Friaul, in ganz Italien, in Europa, zumal in Island, und weltweit fotografiert und in dieser Ansammlung von Wolken an Don Quijote erinnert, an Tartarin de Tarascone, an viele Figuren von Andersens Märchen und an die Bühnenbilder mit den zart gemalten Gewitterwolken im Finale der „Gespenster“ von Ibsen mit Albertazzi, der „Mutter gib mir das Salz“ rief, um sich von der Droge zu befreien. Ich will fortfahren, um in eurem Namen, Leser, dem Bauern, Alpinisten, Landschaftsmaler, Dichter des Lichtes und Maler Mario Vidal zu danken, der uns anfangs mit analogen und später digitalen Mitteln so viele Bilder des azurblauen Himmels geschenkt hat, mit Wolken, die Gott geschaffen hat, uns träumen zu lassen. Erinnert ihr euch an Gulliver, an die Tagebücher des Kommandanten Nobile auf dem Luftschiff Italia, oder sagt euch Pinocchio etwas? Träumt ihr noch Seite für Seite von großen Wolken oder ganz kleinen Wölkchen, die bei einem Comic von Walt Disney aus Goofys Maul kommen? Erinnert ihr euch doch noch daran, wie Mutter sagte „Zieh den Regenmantel an oder nimm einen Schirm mit, weil Schäfchenwolken am Himmel Schnürlregen mitbringen“? An dich denke ich, Tom Mix, mit der Staubwolke, die dein Pferd aufwirbelt, wenn du vor den Banditen fliehst. Erinnern wir uns doch: Abendrot, Schönwetterbot.
Ich erinnere mich, wie es mich während des zweiten Weltkriegs jedes mal mit Freude erfüllte, wenn sich der Himmel mit Wolken bedeckte, weil es so für die fliegenden Festungen schwerer wurde, zwischen den Wolken über den Grandes Jurasses fliegend, die FIAT-Werke in Turin zu treffen. Hier halte ich ein. Ich höre Vidor am Telefon, der mir zuruft: „Ich muss aufhören, um eine große, schwarze Wolke zu fotografieren, die Regen kündet.“ Und weil ich immer schon ein Provokateur war, antworte ich ihm: „Übertreib’ nicht, Mario, die Wolken sind eine Zusammenballung von Eiskristallen, von Wassertropfen, sind kleine Perlen, denen wir das Leben verdanken, und ohne die wir Wüstendürre hätten.“
Hoch auf den Bergen kann man die Wolken aus größerer Nähe betrachten und man hat den Eindruck, sie schwämmen in der Atmosphäre wie Segelboote im Sturmwind. Bist du aber am Meer und ein Gewitter kündet sich an, dann entdeckst du wie Mario Feder- und Cumuluswolken, Cumulus- und Regenwolken, Regen- und Schichtwolken und du drehst dein Segel- oder Motorboot zum nächst erreichbaren Hafen. Wenn du in einem Flugzeug sitzt, das in einen Wolkenhaufen dringt und sofort mit schnellem Auf und Ab zu tanzen beginnt, brauchst du dich nicht zu erschrecken, weil gar nichts passiert, aber wenn du dann wieder am Boden bist, schau dir das Buch von Mario an und atme freudig durch.
Vor ein paar Jahren war ich in einer DC9 hoch über den Eolien und habe eine Ansammlung weißer Federwolken bewundert und, etwas bärtig, aber damals noch nicht mit weißem Bart, mir dabei gedacht: „Nimm jetzt einen Pinsel, seife ihn in den Federwolken ein und rasiere dich damit“.
Danke für diese Gelegenheit, das Märchenhafte aufzuschreiben, das mir deine Bilder eingegeben haben, und jetzt beeile ich mich, meiner CD ein von Daniel Barenboim gespieltes Stück von Chopin zu entlocken.
Danke Vidor und - du bist der erste meiner Fotografen der Berge, den ich gewählt habe, in einer besonderen Zeitschrift zu erscheinen, deren Titel „L'Eco delle Dolomiti“ ein von uns beiden geschätztes Programm ist.
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