dezember 2012
Nummer 12

CASTEL IVANO

Annalisa Dolzan und Luca De Feo

 

Eco delle Dolomiti 12 - Editoriale

Im Örtchen Ivano Fracena, im Trentino gelegen, aber fast schon in Sichtweite des nahen Venetiens, beherrscht die Burganlage Castel Ivano einen Teil der Valsugana.
Wer ihre Mauern durchschreitet und in die Atmosphäre dieses Burgkomplexes eintaucht, wird sich naturgemäß am Panorama ergötzen, das seine Räumlichkeiten zu bieten haben, und die Umgebung dabei gleichzeitig erkunden, wie es wohl ein Wachposten täte.
Beim Durchqueren des Eingangs hat man das Gefühl, einen dieser romantischen Kupferstiche zu betreten, in denen die Burg, oft im Hintergrund, mit dem im Vordergrund vorbeirauschenden Fluss Brenta dargestellt ist. Die Kulisse, in die man dann gelangt, ist allerdings sehr real. Kiefern und Geranien heißen den Besucher inmitten einer Anlage willkommen, die ihre alten Funktionen offenbart: gleich rechts wurden die Vorräte gelagert, gegenüber das Heu und daneben, auf einem kleinen Platz, wurden die Pferde getränkt. Alice in ihrem Wunderland hätte sie wohl nicht anders nennen können, so heißen die beiden Hauptgebäude „hüben“ und „drüben“ („Castello di qua“ und „Castello die là“).
Der Charme der Burganlage kann jedoch nicht den Widerhall von Schwertern und Kanonenkugeln verdecken. Auch vom großen umliegenden Park aus ist das Wappen gut sichtbar. Die Burg ist langobardisch, also mittelalterlich, hat jedoch bis hin zum Zweiten Weltkrieg als Festung gedient. Im Ersten Weltkrieg bezog in ihr ein wichtiges Kommando Stellung, denn hier in der Valsugana lag eine der umstrittensten Fronten.

Castel Ivano

Es ist deshalb den heutigen Eigentümern, der Familie Staudacher, als großes Verdienst anzurechnen, sich auf diese Weise der Wunden angenommen zu haben, die diese lange Zeit des „aktiven Militärdienstes“ dem Burgkomplex zugefügt hatte.
Die Fotografien von vor wenigen Jahrzehnten verdeutlichen die enormen Bemühungen, derer es bedurfte, um den Zinnen, Wehrgängen, Räumlichkeiten und Toren den Glanz vergangener Zeiten zurückzugeben. Heute erstrahlt das Bollwerk in innerer Harmonie und ist eins mit der Landschaft. Der Wachturm, der ursprüngliche Kern, ist von späteren Konstruktionen umgeben, die die Vorstellung eines kleinen, arbeitsamen Dörfchens innerhalb der Mauern vermitteln.
Eine Treppe führt zu den Hauptgeschossen. Auch hier, in den oberen Räumen, herrschen Strenge und Funktionalität. Der Besucher nimmt sie in den bis aufs Wesentlichste nüchternen Gängen wahr, richtet seine Aufmerksamkeit auf die wenigen Bildnisse oder streicht sanft über das seltene, robuste Mobiliar, das häufig die Kulisse für Kunstausstellungen bietet. Dauerausstellungen bilden zudem die Sammlung von Tintenfässern und die Ausstellung von Holzskulpturen aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert.
Den besonderen Reiz verleiht den Räumlichkeiten, wie dem Gewölbesaal und dem Steinsaal, die heute angesehene Veranstaltungsorte für Tagungen und Konferenzen sind, ihre Aussicht: von der nahegelegenen Bergkette bis hinein in das breite Tal.

Castel Ivano

Es ist nicht schwer, sich die herannahenden Heere und Delegationen auf Reisen vorzustellen, die es anzukündigen galt. Heute ist es jedoch in diesem Winkel von Triveneto die friedliche kulturelle und industrielle Entwicklung, die diese natürliche Gasse zwischen dem Meer und den Dolomiten stattdessen begünstigt, an diesem privilegierten Aussichtspunkt und mit einem Fleiß, der von dem Dörfchen über die Jahrhunderte hinweg tradiert und verbreitet wurde. Das Wappen, das auf dem Wachturm prangt, trägt die Räder und Achsen eines Fuhrwerks.
Auch im „Eleonora Duse“-Saal, in dem sich die Muse von D'Annunzio aufgehalten hat, ist die Atmosphäre aufgrund gewisser klösterlicher Verse von Brauch und Sammlung geprägt und scheint beinahe das Klima dieser Region, in die Castel Ivano eingebettet ist, zu kondensieren. Es zeugt von Geschmack und Maß, wenn junge Paare diesen Ort zum Schauplatz Ihrer Hochzeit auserwählen: Die natürliche Felskulisse mit ihren Ausblicken krönt auf ideale Weise jede Braut, die sich an diesem einen, besonderen Tag wie eine Königin fühlen will.