Marco Pola:
"Der Trienter Dichter"
von Alessandro Franceschini*
Vor hundert Jahren war Marco Pola in Roncegno (im Valsuganatal
in Trentino) geboren. Der "Trienter Dichter", unter
diesem Namen war er in den italienischen literarischen Kreisen
bekannt (Vanni Scheiwiller nennt ihn antonomastisch als der
Dichtungseditor), stellt eine der am interessantesten Figuren
im dichterischen Nationalpanorama des neunzehnten Jahrhunderts
dar. Marco Pola erlebt das "kurze Jahrhundert" mit
seiner Sensibilität, dank seiner dichterischen Versen durch
die tiefe Beobachtung und Lektüre der Welt um ihn herum.
Die Realität ist von Zeit zu Zeit sehr statisch und manchmal
ist sie durch eine permanente, ununterbrochene, brutale Umwandlung
gekennzeichnet. Er war der Autor einer umfangreichen dichterischer
Produktion von vierzig Gedichtssammlungen im Italienischen und
Dialekt (mehr als tausend Gedichte), die zwischen Ende der faschistischen
Zeit und Ende der Kalten Krieg veröffentlicht worden waren.
Pola ist in vorkriegerischer Zeit von den habsburgischen Echos
einer Kleinstadt, Roncegno, zum Jahrhundertsbeginn geboren und
aufgewachsen. Die idyllische Welt seiner Kindheit hat er früh
zerfallen gesehen unter den Bomben des ersten Weltkriegs. Er
hat als Flüchtling in Katzenau eine gleichstellende Erfahrung
so wie viele andere Trentiner und bricht eine Beziehung zu einem
Raum und mit einer Friedens- und Heiterkeitszeit ab. Diese Motive
werden die Leitmotive seiner ganzen Existenz sein. Als junger
Dichter mit Hoffnungen für neue Zeiten und am Anfang seiner
literarischen Karriere, hat er den Zerfall des Faschismus und
Futurismus stark miterlebt. Diese zwei Ereignisse haben eine
weitere Spaltung gezeichnet, die stärker mit dem Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges an ihm nagte. Diese historische Ereignisse
haben ihn zu einer achtzehnjährigenlangen Schweigenzeit
geführt, bis Mitte der Fünfziger Jahren.
Nach dieser Lernzeit, durch eine Suche nach eigener Identität
und durch poetische Überlegungen gekennzeichnet, zeigt
sich Pola der Presse mit einem ganz neuen Annäherungsversuch
zum Dichtersberuf wieder auf. Pola ist in dieser Phase mehr
strukturiert und beherrscht einen klaren und reifen Stil. Gleichzeitig
hat er seine Kontakte und seine Freundschaften zu Dichtern,
Herausgebern und Literaten der Region Veneto, der Lombardei
und der Hauptstadt erweitert. Seit 1956 (Erscheinungsjahr von
Quando l'angelo vuole ) erscheinen seine Bücher dreijährlich
und seit 1963 (mit der Veröffentlichung von der Sammlung
Le fize del sofà ) fängt er an, auch Versen auf
Dialekt zu schreiben.
Pola verwendet den Dialekt, bzw. das gehobene Idiom von seiner
Hauptstadt. Diese Sprache wird als Regionalsprache gebraucht
und sie erwies sich als einen wirkungsvollen Kommunikationsstil
und diese Auswirkung erstaunte den Dichter selbst. Tatsächlich
hat der Autor mit dem Dialekt, durch eine Aufnahme der Volkstraditionen,
die wichtigsten und bedeutungsvollsten Erneuerungen in die Trienter
Poetik eingeführt. Er hat eine Sprache, die durch Geleiere
und Fratze gekennzeichnet ist, in eine gültige Methode
zum Ausdruck der Leidenschaften und der tiefsteren Verstörungen
verwandelt.
Nach seinem neuen symbolistischen Anfang, der Polas dichterische
Produktion der Fünfziger Jahren gekennzeichnet hat, verwendet
er das mundartliche Idiom als Mittel zur wirklichkeitsgebundenen
Rekonstruktion der Welte während der Kriegszeiten. Trotz
seiner Entdeckung dieser neuen und pregnanten Art und Weise
des Schreibens und der Realitätsbeschreibung mit ihrer
authentischeren Dimension, arbeitet er ständig an seiner
Dichtung in italienischer Sprache. Seit Ende der Sechziger Jahren
läuft Polas Produktion binär, und zwar zwischen italienischer
Sprache und Dialekt. Der Dichter gebraucht die italienische
Sprache für eine "Zivilproduktion" und den Dialekt
verwendet er oft, um seine tiefsten Stimmungen zu äussern
und dem Sinn des divertissement Ausdruck zu verleihen. Gegen
das Ende seines Lebens merkt man tiefer den Dualismus zwischen
diesen zwei Sprachen und literarischen Produktionen. Im Jahr
1989 gibt er den Gebrauch des Dialekts auf und gleichzeitig
erreicht er mit zwei von seiner lezten Sammlungen Autunno e
maschere (1989) und Il sonno delle lucertole (1991).
Mich beleuchtet eine Vorahnung
Von tropfenden gelagerten Archipelen
unter einer großartigen Sonne,
während der Tod der Rosengärten sicher ist.
Aber still sind die Baustellen.
Weisse Schiffskeletten
brechen jeden meinen süssen Plan.
Ich werde unter den Obsessionen
der gigantischen Berge sterben.
Der Auerhahn woanders, 1971