Bei den Huftieren der europäischen Berge ist es nicht selten, dass sie aus weit entfernten Regionen stammen, aus denen sie aufgrund bedeutender klimatischer Ereignisse, wie die Eiszeiten, zu aufeinander folgenden Zeiten und normalerweise aus den östlichen Gegenden bis in die weitläufigen Berggebiete unseres Kontinents getrieben wurden. Im Falle der Mufflons ging die Reise jedoch nicht zulasten der Tiere, sondern des Menschen: um 6000 v.Chr. erreichte das aus dem Nahen Osten stammende Mufflon die Insel Sardinien. Hierher gebracht wurde es von orientalischen Völkern, die sich auf der Wanderung gen Westen befanden und schon mit der Viehzucht vertraut waren und die Keramikproduktion beherrschten. Das Ursprungsgebiet kann sowohl aufgrund der Ähnlichkeit des Mufflons mit dem Wildschaf jener Gebiete (Urial aus dem Kaukasus und der Türkei) bestimmt werden als auch aufgrund der Gleichartigkeit zwischen den Kulturen der Invasorenvölker und der Völker aus den erwähnten Gebieten. Doch beschränkt sich die Reise dieser Spezies nicht allein auf die große Mittelmeerinsel: nachdem sie mehrere Jahrhunderte auf Sardinien verbracht hatte, wo sie weit verbreitete wilde Populationen schuf, und später auf Korsika, wurde diese Spezies auf das Festland überführt und ab 1790-92, dem Jahr des ersten Eingliederungsversuchs in die nördlichen Gebiete des Apennin-Gebirges, in das kontinentale Italien und in zahlreiche europäische und außereuropäische Länder eingeführt. Der am weitesten entfernte (und ödeste) Ort, in den die Mufflons eingeführt wurden, ist die Inselgruppe der Kerguelen, die sich nördlich des antarktischen Kontinents erstreckt.
In Italien wird eine eher gruppierte Verteilung dieser Spezies verzeichnet: in dem “historischen” Ursprungsgebiet, Sardinien ist sie mit etwa 6000 Exemplaren vertreten, die größtenteils die Ogliastra, den Gennargentu und den Supramonte bevölkern sowie den Monte Albo, ihren Ursprungsort, und Gebiete, wie Pabarile, Capo Figari und die Insel Asinara, in die sie erneut eingeführt wurde. Im Nachhinein wurde diese Spezies in das Habitat der kleinen Inseln, wie Elba, Capraia, Marettimo, in die weitläufigen Hügelgebiete in Mittelitalien, in das Apennin-Gebirge und in die Alpen eingeführt. Den Naturpark Adamello Brenta erreichte das Mufflon zwischen 1974 und 1976 und infolge verschiedener Einführungen bildeten sich die drei noch heute bestehenden Kolonien: die größte lebt in der südlichen Brenta und setzt sich aus über 150 Exemplaren zusammen, eine weitere bevölkert das Massiv des Presanella und beherbergt etwa fünfzig Stück und die letzte ist eine kleine Kolonie, die die Ausläufer des Nardis-Tals belebt.
Bei dem Mufflon handelt es sich um ein Wildschaf, das eine im Vergleich zum Hausschaf schlankere Körperform aufweist. Normalerweise schmücken sich nur die männlichen Exemplare mit Hörnern auf ihrem Kopf: die weiblichen Tiere der sardischen Mufflons haben keine oder nur ausnahmsweise dünne und kleine Hörner, während 70% der korsischen Weibchen mit Hörnern ausgestattet ist.
Die Hörner wachsen spiralenförmig, sind von dunkelbrauner Farbe, weisen zahlreiche ringartige Querwülste auf, die aufgrund der Stöße, die sie während der Kämpfe in der Brunftzeit erleiden, häufig abgenutzt erscheinen. Bis zum fünften Lebensjahr wird ein beträchtliches jährliches Wachstum verzeichnet, das sich sodann erheblich verlangsamt. Das raue und kurze Fell wird zwei Mal im Jahr gewechselt: im Herbst und im Frühjahr. Die braune Farbe ist im Sommer heller und im Winter dunkler, wobei sich die männlichen Tiere im Winter durch einen weißen Fleck auf dem Rücken, den sogenannten "Sattelfleck” und eine schwarze Mähne kennzeichnen, die bis über den Hals und die Brust fällt.
Das Mufflon findet sein typisches Habitat im Mittelmeerraum, wo es jedoch größtenteils die steinigen und felsigen Gebiete bevölkert: die Felsen stellen wie für alle Huftiere der Bergwelt einen Zufluchtsort dar, der ihnen die Flucht vor den Räubern und Raubtieren ermöglicht. Die Höhenlagen, auf denen sie leben, sind in den Ursprungsgebieten sehr unterschiedlich und reichen von dem Meeresspiegel bis zu 1300-1600 Metern. In den Mittelmeergebieten zeigt es sich den winterlichen Klimaverhältnissen gegenüber widerstandfähig: im Supramonte verweilt es auch in den Wintermonaten auf einer Höhe von 1300-1500 Metern. In das kontinentale Italien wurde die Spezies sowohl in die Anhöhen des Apennin-Gebirges als auch in die Alpengebiete auf Höhenlagen, die zwischen 300 und 2500 m. liegen, eingeführt, wo sie je nach den Schneeverhältnissen auch beachtliche Wanderungen in die Berggebiete unternehmen. Hier findet das Mufflon in den Laub- oder Mischwäldern sein geeignetes Habitat, doch belebt es im späten Frühjahr und im Sommer die ausgedehnten Bergweiden der Höhengebiete. Die enge Verbindung zu den Felswänden, die sich auf jeder Höhenlage befinden, bleibt jedoch bestehen.
Diese Spezies weist einen beachtlichen Sinn für Gemeinschaftlichkeit auf und neigt dazu, auch anzahlmäßig bedeutende Rudel zu bilden. Normalerweise besteht die Möglichkeit, Rudel von weiblichen Tieren zu beobachten, die sich aus ausgewachsenen Weibchen und kleinen und jungen Exemplaren beider Geschlechter zusammensetzen, sowie Rudel von männlichen Tieren, die sich hauptsächlich aus über zwei Jahre alte Männchen bilden und gemischte Rudel, die sich während der Brunftzeit, zwischen Oktober und November, häufig zusammenschließen. In dieser Zeit begeben sich die ausgewachsenen Männchen auf aktive Suche nach paarungswilligen Weibchen, schließen sich den weiblichen Rudeln an und versuchen die Kontrolle über diese Weibchen zu übernehmen, was nicht selten zu Kämpfen mit Konkurrenten gleicher Größe führt. Die Kämpfe, die die Männchen während der Brunftzeit ausführen, können teilweise ausgesprochen intensiv und heftig sein: auch wenn bestimmte Kampfregeln bestehen, nach denen die Aggressivität auf rituelle Weise zum Ausdruck kommt (Tritt mit dem Vorderhuf und Kopfdrehung), so werden doch zwei weitere Arten, wie der direkte Hörnerstoß und der frontale Zusammenstoß mit Anlauf häufig angewandt. Doch gibt es noch eine andere Art, auf die sich die Männchen ihren Gegnern stellen; hierbei versuchen sie sich mit einer bemerkenswerten Anzahl von Weibchen zu paaren und somit ihre Konkurrenten auszubooten, das heißt, deren Fruchtbarkeit dank einer beachtlichen Produktion von Spermen zu übertreffen. Dieses Phänomen, das auch als Sperma-Konkurrenz bekannt ist, treibt die Männchen dazu, nicht nur durch die Paarung mit dem Weibchen, sondern auch durch die Wirksamkeit ihrer Zellenproduktion zur Fortpflanzung um die Vaterschaft der Kleinen zu wetteifern.
Die Setzzeit ist, je nach lokalen Klimaverhältnissen, zwischen März und April. Die Weibchen wählen sichere Plätze für die Geburt ihrer Kleinen aus und verbringen dort die ersten Tage. Diese Wahl bestimmt die ersten zwei Lebensmonate der Jungtiere und zwingt das Muttertier größere Wanderungen, als die ausgewachsenen Weibchen ohne Jungtier, zurückzulegen. Muttertiere und Jungtiere verständigen sich durch Blöklaute, die einen direkten Kontakt herstellen und nach den Herbstmonaten immer vereinzelter vorkommen.
Auf den Alpen wird das Leben der Mufflons hauptsächlich von den schwierigen Wetterverhältnissen eingeschränkt und bedroht; Schneefälle im späten Winter und in den Frühjahrsmonaten wirken sich insbesondere auf das Überleben der Lämmer aus. Raubtiere, wie der Steinadler und der Fuchs stellen eine weitere Gefahr für die Jungtiere dar. Nicht selten wenden die Weibchen mit Jungtieren bei den Füchsen wirksame Verteidigungstechniken. Der Wolf der nördlichen Apenninen hat sich, insbesondere in Gebieten, in denen Zufluchtsmöglichkeiten eher rar vorkommen, als effizienter Jäger dieser Spezies erwiesen. Auch die Wildhunde können gerade bei übermäßigen Schneefällen für diese Tierart ausgesprochen gefährlich werden.
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