DIE NEUE BLUME DER BRENTA

Carlo Signorini

 

So wie wir daran gewöhnt sind, alarmierende Nachrichten über Fälle nicht natürlichen Aussterbens zu hören, die tagtäglich auf dem Planeten Erde geschehen, wird es schwierig zu begreifen, dass in diesem, lange Zeit von der Umweltverschmutzung gezeichneten Kontext nun eine neue Blume klassifiziert wurde.
Ort dieses fantastischen Funds konnte nirgendwo anders als in den geliebten Dolomiten, etwas genauer in der Brenta-Gruppe liegen.
Es handelt sich um einen kleinen und schlichten Enzian mit einem zurückhaltenden, unscheinbaren Erscheinungsbild; wer weiß, wie oft ein sorgloser Bergschuh schon über ihn gestiefelt ist.
Dessen ungeachtet stellt sein Fund ein Großereignis globaler Tragweite dar.
Die Familie der Enziane umfasst eine große Gruppe von Pflanzen mit sehr verschiedenen Erscheinungsbildern: von recht hoch wachsenden, bis hin zu Miniaturpflänzchen. Auch die Farben ihrer Blüten variieren und reichen in ihren Tönungen von einem grünen Blassgelb bis hin zu einem kräftigen, mitunter bräunlichen Gelb. Zudem ist ein grelles Blau vorhanden, das ins Violette und schließlich einen quasi Rosaton mündet. Einige (Enzianarten) besitzen hervorragende heilkräftige Eigenschaften gegen viele Leiden des Magendarmtrakts, gegen Flatulenz, Darmträgheit, Komplikationen an der Leber und regen bei allen Arten von Verdauungsstörungen und wirken als allgemeines Tonikum appetitanregend, fiebersenkend und reinigend. Unter ihnen befindet sich der Gelbe Enzian (Gentiana lutea), eine bekannte Pflanze, die auf den Bergwiesen der Dolomitenregion verbreitet ist. Seit der Antike ist er für seine Heilwirkungen bekannt.
Dosierung: ½ Teelöffel getrocknete, zerriebene Wurzel auf eine Tasse heißes Wasser, bei geschlossenem Deckel 15 Minuten ziehen lassen und über den Tag verteilt in kleinen Schlucken trinken. Achtung: der Geschmack ist sehr bitter.
Abgesehen vom äußerlichen Erscheinungsbild besitzt alles in der Natur auch Eigenschaften, die wenig stofflicher Art sind. Ich werde im Folgenden versuchen, diese Aspekte dieser Pflanzengattung zu beschreiben.
Ich möchte hier auf die Heilkräftige Enzianarten der Engel eingehen, die uns beistehen, wenn sich in unserem Unterbewusstsein Spannungen und Blockaden häufen, die von unserem profunden Bewusstsein nicht akzeptiert werden. Auf lange Sicht können diese sich anstauen und sehr intensive Depressionen sowie auch Spannungen hervorrufen können, die leicht zu echten, auch äußerst schweren Gebrechen ausarten können.
In diesen Fällen kann der Gelbe Enzian uns bei der Heilung helfen, jedoch nicht allein, sondern nur, wenn wir dies wirklich wollen und uns bewusst ist, dass wir nie alleine sind und es um uns herum Kräfte gibt, die bereit stehen, uns zu helfen. In diesem Fall erfasst das Bewusstsein die echte Medizin und nicht die Pflanze; die Pflanze wird zu einem Mittel, diesen Übergang zu erleichtern.
Dies lässt sich durchaus nicht leicht verstehen, es bedeutet zuweilen, völlig den Sinn umzustoßen, den wir dem Sein gegeben haben.
Was hauptsächlich vom Gelbe Enzian verwendet wird, sind die Wurzeln, Teile der Pflanze, die nicht zu sehen sind, in denen sich im Laufe der Zeit Energien sammeln, die dann dazu dienen, die Auflösung der in der Tiefe unseres Unterbewusstseins liegenden Spannungen zu erleichtern.
Die Enziane mit gelber Blüte können meist in Situationen eines fehlenden persönlichen Gleichgewichts in Verbindung mit mangelndem Vertrauen zu sich selbst und gegenüber anderen helfen.
Die mit blauer Blüte unterstützen die Lösung von traumatischen Blockaden, die den Fluss der eigenen Ausdruckskraft und Kreativität verhindern.
Sein bitterer Geschmack symbolisiert die Bitterkeit der alten Spannungen, die sich im Laufe der Zeit am Grund unserer tiefsten Tiefen angesammelt haben; dort bedarf es Zähigkeit und Konstanz, um den Grund auszuschaben.
Vielleicht hat die Urmutter darüber unser Bewusstsein eingeladen, sich einem anderen Verständnis für die Schöpfung und seine Tendenz zur Einheit mit allem zu öffnen. Schließlich sollte man nicht vergessen, was der Begriff Universum bedeutet: Zum Einen hin.
In seiner Sprache möchte es uns daran erinnern, dass ein Leben in Uneinigkeit und Ungleichgewicht unvermeidlich zum Leiden führt.
Dies wird zu einer klaren Aufforderung, möglichst schnell zu lernen, sich über den Planeten Erde zu freuen und ihn geschwisterlich mit anderen Lebensformen zu teilen, die ihn zusammen mit uns bewohnen.
Mit unserem unbedachten Verhalten geben wir die außergewöhnlichen, göttlichen Fähigkeiten auf, die bereits in unserem Besitz sind, die es uns erlauben würden, den Hauptzweck unseres Daseins als Einzelwesen wie als menschliche Rasse zur Vollendung zu bringen.
Diese Aufgabe steht uns an, und ist nicht von einer kleinen Blume zu erfüllen. Der neue Spross ist nicht allein eine neue wissenschaftliche Entdeckung, sondern auch die Sprache, mit der in Liebe unser Mutter Natur mit uns spricht.
Die Dolomiten sind ein Gebirge, um das sich uralte Legenden ranken, die edle universell gültige Werte vermitteln. Erzählungen, mit denen sich Magie und das Außergewöhnliche verbinden, das wir so oft ins Lächerliche ziehen oder zumindest für nicht genügend Beachtung schenken. Vielleicht ist dies eine Entschuldigung, um nicht einen Moment in unserem frenetischen Streben nach dem Wenigen zu verweilen.
Der Zauber einer zeitgenössischen Entdeckung könnte uns etwas das Tempo nehmen, um jenem Kind, das in jedem von uns steckt, Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, um (zumindest teilweise) jene alten Spannungen zu lösen, die unseren Seinsweg zu beschwerlich machen.

*** Die blütenlosen Enzianpflanzen dürfen nicht mit denen von Veratrum album verwechselt werden, das giftig ist und tödlich wirken kann.

 

Der Brenta-Enzian

Während der Erfassung der Flora des Adamello-Brenta-Parks fand sich die botanische Abteilung des Stadtmuseums von Rovereto mit einem offensichtlichen Problem konfrontiert: Die Population einer kleinen blauen Enzianart im zentralen Bereich der Brenta-Gruppe wies Eigenschaften auf, die es nicht erlaubten, sie den heute bekannten Enzianarten zuzuordnen. Speziell wiesen sie dicke, raue Blätter wie die des Gentiana terglouensis auf, die jedoch wie die des Gentiana bavarica an der Spitze abgerundet waren. Aus diesem Grund schien es klar, dass dieser Enzian zu einer anderen, bisher noch unbekannten Art gehörte und daher Gentiana brentae (Brenta-Enzian) genannt wurde. Eine ausführliche Recherche in den europäischen Herbarien hat bewiesen, dass Pflanzen mit diesen Eigenschaften charakteristisch für die Brenta-Gruppe sind. Der Brenta-Enzian blüht mitten im Sommer in einer Höhe von 2000 bis 2600 Metern über dem Meeresspiegel und ist eng mit dem Dolomitgestein verbunden. Die Ergebnisse der Recherchen wurden im Dezember 2008 in dem internationalen botanischen Magazin Willdenowia aus Berlin veröffentlicht und erregten ein bemerkenswertes Interesse in den Medien. Tatsächlich stellt die Beschreibung einer neuen Enzianart in den Alpen zweifellos eine vollkommen unerwartete Neuigkeit dar. Im Jahre 2009 wurde auch eine begrenzte Gentiana brentae-Population auf dem Gipfel des Bondolo an der Grenze zur Provinz Brescia gefunden. Weiterhin haben im Jahr 2009 durchgeführte genetische Analysen der Universität Salzburg ergeben, dass es sich tatsächlich um eine eigenständige Art handelt.

Herausgegeben von Filippo Prosser und Alessio Bertolli, botanische Abteilung des Stadtmuseums von Rovereto

*** Wir erinnern daran, dass man im Trentin die Enzianwurzeln nur mit einer Sondergenehmigung sammeln darf.

 

 


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