GRENZÜBERSCHREITENDE
ZUSAMMEN ARBEIT: DAS GEBIRGE
VERBINDET ANSTATT ZU TRENNEN –
EIN WEITERES MAL


GESPRÄCH MIT DEM KOMMANDANT DES ALPINEN
AUSBILDUNGSZENTRUMS DER FINANZWACHE,
OBERST SECONDO ALCIATI

 

Mariapia Ciaghi

 

 

 

Welche Prämissen haben es ermöglicht, dass vergangenen Dezember zwischen dem Bergrettungsdienst der Finanzwache, dem polnischen Bergrettungsdienst (TOPR) und dem Bergrettungsdienst der Slowakei (HZS) ein Protokoll über Einvernehmen und Zusammenarbeit unterzeichnet wurde? Was sind die Ziele?
Die Aufgabe der Bergrettung ist es, menschliches Leben zu retten, und um diese Arbeit mit der größtmöglichen Effizienz zu erledigen, darf nichts dem Zufall überlassen werden, denn jedem noch so kleinen Detail kann eine fundamentale, ja lebenswichtige Bedeutung zukommen. Eben dieses Bewusstsein, dass es sich um eine solch heikle Mission handelt, die weder Zögern noch Unsicherheit gestattet, hat zu der Überzeugung von der Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen den in angrenzenden Gebirgen tätigen Helfern geführt. Bei Unfällen in diesen Gebirgen befinden sich die Helfer aus den beteiligten Staaten oft in der Situation, gemeinsam einzugreifen, und die diplomatischen Apparate, die dabei angekurbelt werden, haben unterschiedliche Vorgehensweisen, die bekannt sein müssen. Um erfolgreich Einsätze tätigen zu können, ist es notwendig, dass die Mitglieder der Bergrettung sich gegenseitig kennen, dass sie sich in menschlicher, kultureller und beruflicher Hinsicht einander annähern. Da in der Gruppe gearbeitet wird, ist es von grundlegender Bedeutung sich gut vorzubereiten und Übung darin zu erlangen, gemeinsam vorzugehen. So werden Automatismen erreicht, die sich später als die Trumpfkarte im Kampf gegen die Zeit erweisen können – ein Kampf, den ein jeder führt, der sich der Rettung menschlichen Lebens widmet. Bedenken Sie nur einmal, dass bei Rettungsaktionen nach Lawinenunfällen lediglich während der ersten fünfzehn bis achtzehn Minuten gute Erfolgsaussichten bestehen.
Die gemeinsamen Übungen zwischen Rettungskorps aus verschiedenen Ländern ermöglichen einen Vergleich und damit einen Wissenszuwachs für alle. Berichte darüber, welche Erfahrungen zu bestimmten Lösungen geführt haben, die Prüfung der verschiedenen verwendeten Materialien, die ständig weiterentwickelt werden, sowie der zahlreichen möglichen Verfahrenstechniken schaffen die Gelegenheit, sich immer auf dem aktuellen Stand zu halten und die auf dem Gebiet effizientesten Lösungen zu wählen.
90 % der Einsätze erfolgen per Hubschrauber, und bei diesen Anlässen muss man nicht nur davon ausgehen können, dass jeder Einzelne gut vorbereitet ist; darüber hinaus ist die Arbeit im Kollektiv unerlässlich: gegenseitiges Vertrauen ist die Grundlage für gute Ergebnisse bei den Einsätzen. Der Pilot, der Bergrettungstechniker und der Arzt müssen sich gegenseitig so gut kennen, dass keine Zweifel hinsichtlich der Vorgehensweise der Kollegen bei dem Einsatz aufkommen, hinsichtlich der zeitlichen Folge Aktion-Reaktion, damit die Abfolge von Handlungen reibungslos verläuft.

Wann wurde der Bergrettungsdienst der Finanzwache gegründet und auf wie viele Stationen verteilt er sich heute?
Der Bergrettungsdienst der Finanzwache wurde offiziell hier in Predazzo (1965) auf Initiative des Generals Carlo Valentino gegründet. Die Finanzwache wurde 1774 als Zuständiger der Grenzaufsicht für Militär- und Zollzweck Korps aus der Taufe gehoben und verfügt seit jeher über Posten entlang der Staatsgrenzen; die in den Kasernen im Hochgebirge operierenden Männer standen seit jeher der Notwendigkeit gegenüber, mit Notfallsituationen umgehen können zu müssen. Mit der Vereinigung Italiens wurde die Kontrolle entlang des gesamten Alpenbogens verstärkt und intensiviert, und es ergab sich die Notwendigkeit, Personen anzuwerben und auszubilden, die über weitreichende Erfahrungen mit dem Gebirge in allen seinen Aspekten verfügten. Und so wurde im Jahre 1920 aus dem Stegreif ein Ausbildungszentrum ins Leben gerufen.
Heute umfasst die italienische Bergrettung 227 ausgewählte Männer sowie 4 Frauen aus dem sportlichen Bereich, die auf 25 Rettungsstationen auf dem Alpenbogen, dem Apennin und dem Ätna in Sizilien aufgeteilt sind. Unter ihnen finden sich die besten Bergsteiger des Landes, die Spitzenleistungen bringen, so zum Beispiel Silvio Mondinelli des Korps mit Sitz in Station von Alagna Valsesa, der zu den acht Männern gehört, die alle Achttausender ohne Sauerstoffgerät bestiegen haben.
Den Helfern stehen bei ihrer heiklen Aufgabe gut 40 Hundesporteinheiten zur Seite und hier in Predazzo befindet sich die Schule für die Hunde, die bei Rettungsunternehmungen eingesetzt werden. Die Zoll- und Finanzwache verfügt in Castiglione del Lago (PG) über eine Hundezucht, wo die für diese Art von Tätigkeit geeignetsten Tiere ausgewählt werden: die erste Wahl steht der Bergwacht zu.

Wie spezialisiert man sich zum "Bergrettungstechniker"?
Die Helfer sind Polizeibeamte für die Zollkontrolle, die sich als ehrenamtliche Mitglieder bei der Bergwacht bewerben: sie müssen eine Selektion bestehen, bevor sie zur Teilnahme an dem Kurs zugelassen werden. Der Kurs dauert sieben Monate und ist in zwei unterschiedliche Abschnitte unterteilt: ein Winterkurs, in dessen Mittelpunkt der Erwerb von Wissen und das praktische Erlernen der Techniken des Skifahrens in allen seinen Formen sowie die Lawinenrettung stehen, und ein Sommerkurs, der sich insbesondere mit Felsen und Gletschern befasst; in beiden Fällen geht man dabei sowohl theoretischen als auch praktischen Aktivitäten nach.
Die Teilnehmer erforschen die Dynamik der Schneedecke und erhalten am Ende des Kurses das Patent als “Schnee-Beobachter”.In der Tat ist unsere Kompetenz auf diesem Gebiet inzwischen so stark, dass sogar der AINEVA (interregionaler Schnee- und Lawinenverein) seine Daten für Lawinenberichte vom Bergrettungsdienst der Finanzwache bezieht.
Natürlich werden zusätzlich Kurse in erster Hilfe und Rechtsmedizin für die unentbehrlichen Erhebungen und Mitteilungen absolviert, die im Anschluss an die Einsätze den Gerichtsbehörden gegenüber gemacht werden müssen.

Die Sicherheit im Gebirge ist ein sehr heikles Thema, das dazu beiträgt, dem Genuss unserer Naturschönheiten eine bessere Qualität zu verleihen, und der gleichzeitig das Wissen über die spezifischen Gegebenheiten der Region vermehrt. Wie gedenken Sie, dieses Netz grenzüberschreitender Zusammenarbeit weiterzuentwickeln, das heute schon Polen und die Slowakei einbezieht?
Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Staaten ist von grundlegender Bedeutung und gehört bereits zum Alltag. Es finden zahlreiche gemeinsame Übungen zwischen Italienern, Polen, Slowaken, Tschechen und Franzosen statt, deren Ziel der Wissens- und Meinungsaustausch ist. Nur so kann auf eine Optimierung des Rettungsdienstes hingearbeitet werden, der sich in einer steten Entwicklung befindet, auch in Anbetracht der großen Anzahl an Variablen, die die Einsätze bedingen.
Es ist ausgesprochen wichtig, sich immer vor Augen zu halten, dass es oft der Mensch ist, der bei der Rettung im Mittelpunkt steht; wenn man mit den Transportmitteln nicht an den Unfallort gelangen kann, dann sind es die Vorbereitung, die Schnelligkeit, die Erfahrung und die Fähigkeiten der Helfer, die über den Erfolg eines Einsatzes entscheiden – und in diesen Fällen geht es um Leben oder Tod...

Wie können Unfälle im Gebirge verhütet werden? Durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Bergwelt bei spielerischen, bergsteigerischen, sportlichen und touristischen Aktivitäten sicher erkundet werden kann, und welche Verbesserungen sind möglich?
Mehr als 90 % der Unfälle im Gebirge geschehen aufgrund der "Leichtfertigkeit" von Personen, die sich ohne jedwede Kenntnisse in die Berge wagen, oder wiederum ein Übermaß an Sicherheit seitens jener, die sich für wahre Experte halten.
Beide Verhaltensweisen können tragische Konsequenzen haben und die Bergrettung zum Eingreifen zwingen – selbst unter Bedingungen, bei denen man sein eigenes Leben aufs Spiel setzt. Etwas mehr gesunder Menschenverstand und Bescheidenheit könnten zweifellos eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Anzahl an Unfällen zu reduzieren, die wir in unseren wunderschönen Bergen verzeichnen.
Um dieser grundlegenden Ignoranz wenigstens teilweise entgegenzutreten, sind für die Schulen Ausbildungskurse organisiert worden: die Schüler kommen tageweise zu uns und wir versuchen, ihnen die Bedeutung des Konzepts der Vorbeugung und des Respekts für das Gebirge in allen seinen Aspekten zu vermitteln.
In die gleiche Richtung wie diese Sensibilisierungsmaßnahmen zielt, die Alpinschule nimmt aktiv an dem von der Autonomen Provinz Trient geförderten Projekt teil: Schule-Berge, entwickelt und geförderten von Professor Ferraris, das eine Vertiefung des Wissens zu allen das Gebirge betreffenden Themen zum Ziel hat.

 

Die Fotos stammen von der Zeremonie zur Unterzeichnung des Einvernehmensprotokolls durch den Kommandant des Alpinen Ausbildungszentrums der Finanzwache, Oberst Secondo Alciati, den Leiter der polnischen Bergrettung, Ing. Jan Krzysztof und den Leiter des slowakischen Bergrettungsdienstes, Ing. Jozef Janiga. Die slowakische Delegation umfasst außerdem den Vizeinnenminister Jozef Bucek.

 
   
 
 
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